Donald Trump und Fair-Trade Kaffee, Wladimir Putin und regenerative Energien, Kim Jong-un und Menschenrechte oder Bundestagsabgeordnete und gegenseitiges Ausreden lassen. Preisfrage: Was haben diese Begriffspaare miteinander zu tun? Auf den ersten Blick gar nichts – sie schließen sich eher aus. Erleben wir derzeit den großen Verfall der Werte bei den Eliten? Vielleicht, denn spätestens seit Donald Trump hat sich der „me first“-Gedanke nicht nur im Weißen Haus, sondern auch in Brüssel, Moskau, Berlin oder Ankara festgesetzt. Gut ist, was mir hilft.

Aus „gemeinsam sind wir stark“ wird „jeder steht sich selbst am nächsten“. Großbritannien hat genug von der Solidargemeinschaft EU und forciert den Brexit, Bundeskanzlerin Angela Merkel gestand erst kürzlich, man sei im Fall Maaßen zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um eine wirklich angemessene Lösung zu finden und die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das 21. Jahrhundert als Epoche der Egoisten?

 

Ein fataler Trugschluss

Nein. Ich wehre mich gegen diese oft verbreitete Darstellung. Meine Gegenfrage lautet deshalb: Wenn der Egoismus Hochkonjunktur feiert, warum tun es dann auch Fair-Trade, Bio, Nachhaltigkeit und Co? Unser Alltag spielt sich nicht im Bundestag, in Konferenzsälen oder auf Staatsbesuchen ab, sondern auf den Straßen, im Büro, Zuhause, im Supermarkt oder mittlerweile auch auf Instagram und Co. Wer die jungen Menschen verstehen, berühren und bewegen will, muss mit und nicht über sie reden. Genau diesen Austausch vermisse ich so häufig – gerade bei den bereits erwähnten Personen. Politikverdrossenheit kommt schließlich nicht von ungefähr. Wie es besser geht, zeigt beispielsweise Claus Hipp, mit dem ich noch kürzlich für mein neues Buch „Ich Endlich Einzigartig“ genau über jenes Thema „Werte“ sprach. Wieso genau Claus Hipp? Weil es seinen Grund hat, dass junge Mütter seit Jahrzehnten seiner Marke vertrauen.

 

Deshalb fragte ich ihn, nach seinem Erfolgsrezept. „Anstand, Ehrlichkeit, Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein und Nachhaltigkeit“, lautete seine Antwort. Das klingt so gar nicht nach Egoismus und passt so viel besser in unsere heutige Zeit. Ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte, dass Claus Hipp damit genau das definiert hat, wonach sich die jungen Menschen heute sehnen. Denn genau dort, wo das Herz dieser Generation überall pulsiert, wie beispielsweise in Berlin-Kreuzberg oder in der Münchener Maxvorstadt, finden wir diese Werte in der Praxis umgesetzt. Das beweisen auch die Zahlen: Rund acht Millionen Menschen ernähren sich in Deutschland mittlerweile vegetarisch, 1,3 Millionen rein pflanzlich. Allein im Jahr 2016 gab es deutschlandweit 777 Restaurants, die komplett auf Fleischgerichte verzichteten.

Zum Vergleich: Im Jahr 2014 waren es gerade einmal halb so viele. Und wenn selbst ein Konzern wie McDonalds anfängt, in den USA Grünkohl anzubieten und immer mehr Supermärkte auf Plastiktüten verzichten, sollte klar werden, dass wir es mit keinem Hype, sondern mit einer tiefgreifenden Entwicklung zu tun haben. Die Werte sind nicht tot, der flächendeckende Werteverfall ist eine Lüge. Mehr noch, wir erleben ein regelrechtes Comeback.

 

Das Comeback der Werte

Gründe gibt es dafür zur Genüge. Der vielleicht wichtigste ist recht banal: Wir können es uns leisten. „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“, mag zwar stimmen. Doch die Menschen in Westeuropa oder den USA sind satt (viele sogar übergewichtig – aber das ist ein anderes Thema). Um es mit der Maslowschen Bedürfnispyramide zu verdeutlichen: Die Grundbedürfnisse sind bereits abgedeckt. Die Generation Y ist bereits ganz oben bei der „Selbstverwirklichung“ angelangt. Es ist zweifelsohne ein Luxus-Problem, aber die Frage nach dem Sinn ist präsenter denn je.

Essen ist mehr als eine Nahrungsaufnahme, sondern ein Statement – die sozialen Netzwerke dienen als Sprachrohr. Arbeit wird plötzlich mehr, als reine Geldbeschaffung. Gehalt und Firmenwagen reichen als Köder für neue Mitarbeiter nicht mehr aus. Es gibt kaum noch eine Stellenausschreibung, die nicht mit Weiterbildungen und Förderung der eigenen Potenziale wirbt. Flexible Arbeitszeiten sind in der Zeit der Digitalisierung ein Muss, genauso wie schnelle Kommunikationswege. Es geht in erster Linie nicht um ein exorbitantes Gehalt, sondern um »flache Hierarchien«.

 

Es klingt paradox: Unser Luxus sichert uns die Moral. Kritiker nennen das vielleicht heuchlerisch, aber es ist die Realität. Die jungen Kreativen unserer Gesellschaft haben die freie Auswahl. Immer mehr Produkte stehen uns zur Verfügung. Das gilt auf jeder Ebene, vom Auto bis runter zum Trinkwasser. Schließlich bringt mich jedes Auto von A nach B und jedes Trinkwasser im Supermarkt löscht meinen Durst. Aber kann ich mich mit den Werten dieser Marke auch identifizieren? Die Werte, die wir einer Marke zuordnen, werden zu einem Bewertungssystem –  und Gemeinsamkeiten schaffen Loyalität. Deshalb sollte sich jeder – egal ob CEO oder Student – gerade in dieser Zeit fragen: Wofür möchte ich stehen?